"Das Auge des Ich"
Diese Edition sammelt unterschiedliche künstlerische Ansätze zum Thema Stasi im direkten und im weiteren Sinne, denn die Ladenfront, in die wir projizieren, befindet sich im Gebäude der Stasi-Unterlagen-Behörde.
Terry Buchholz - Katrin Eißing - Sibylle Hofter - Betina Kuntzsch - Kathrin Kur - Tomasz Matuszak - Annette Munk - Patricia Reed - Jozef Robakowski - Jörg Schlinke - Mariusz Soltysik
Das Auge des Ich
entstand aus dem polnisch - deutschen Dia-Projekt Café Kawiarnia EUROPA, das
mit zwei Editionen Anfang des Jahres in Lodz auf der Fensterfläche im leerstehenden
Beton-Gebäude des ehemaligen Restaurant Cafe Europa begann.
Den 17 von der Galeria Wschodnia Lodz (Adam Klimczak) und dem Büro Georg S.
Schwimmer (Sibylle Hofter) ausgewählten Künstlern folgte die zweite Lodzer Edition
mit freien Einsendungen von Lodzer Bürgern, die in erstaunlicher Weise ihre
Stadt portraitierten. In ähnlicher Zusammenstellung der Künstler setzt sich
das Projekt seit April mit der ersten Edition in Berlin an zwei Orten parallel
fort. Die Ergebnisse der öffentlichen Ausschreibung fließen von nun an in die
Editionen ein.
Edition 2: DAS AUGE DES ICH sammelt unterschiedliche künstlerische Ansätze zum
Thema Stasi im direkten und im weiteren Sinne.
Ein weiteres Band zwischen den Arbeiten der Künstler scheint die Frage nach
der Fiktionalität der Beobachtungsergebnisse von Stasi und (visueller) öffentlicher
Kontrolle zu sein. Wir sehen Reihen von Monitoren, die auf noch mehr angeschlossene
Kameras verweisen, auf denen nichts Sinnvolles zu sehen ist. (Betina Kuntzsch)
Jozef Robakowski, inzwischen Altmeister des polnischen Avantgarde-Films/Videos,
kehrt in "Aus dem Fenster" von 1980 die Rollen um, er ist der Beobachter, der
mit langer Brennweite aus (s)einem hoch oben gelegenen Wohnungsfenster alles
filmt, was sich auf der Strasse zuträgt, Hundebesitzer, Polizisten bei einer
Autokontrolle, Schneekehrer, Paraden mit und ohne Panzern (Filmstills). In den
Nahaufnahmen von Kathrin Kur durch Haare auf Kopfhaut dringt der Betrachter
in einen zwar einsehbaren normalerweise für den Blick aber tabuisierten Bereich
ein. Er tut das ohne Schuld, denn offensichtlich geschieht dieser Blick im Einverständnis
mit den Trägern der Kopfhäute. In Patricia Reeds Video-Animations-Stills entdecken
wir in normalen Strassenbahnszenen schnell einen Mann, der zweifelnd in die
Kamera schaut. Je mehr Varianten wir von dieser Szene sehen, desto mehr verwandelt
sie sich in die Umwelt eines Gehetzten, der sich, obwohl halbverdeckt im Hintrgrund,
Phase für Phase weniger aus dem Blickmittelpunkt befreien kann. Nur Annette
Munks fragmentierte Zitate aus ihrer eigenen Stasi-Akte "Pirol" erscheinen zunächst
als harrscher Einbruch der IMs in die Realität. In wenigen Worten stehen banale
Feststellungen neben hochpräzisen Charakterbeschreibungen. Welche Sichtweise
könnte allerdings fiktiver sein als die sein Opfer/Objekt "Pirol" zu nennen?
Text - Edition 1: Großflächige Dia-Projektionen an Ausfallstraßen im Stadtraum
können nicht umhin, Kommunikation zu sein. Sie tauchen auf und verwandeln den
Ort. Für acht Sekunden mag der Ort zum Zeichen, werden, zum Zitat oder zu seinem
eigenen Ausblick. Oder zum Spiegel seines Umfeldes in vielfältigem Sinne: Die
Fassaden der Umgebung widerspiegeln sich in einer Weise, dass sich der Projektionsort
in seiner Umgebung auflöst. Testbilder - gab es sie mal, die sendefreie Zeit?
Stiere aus rotem Porphyr, die sich vom nahegelegenen Brunnen ins benachbarte
Steakhaus begeben. Oder Schlafende, gesehen von denen, die nicht schlafen.